Von Wander-Dirndln, Tesafilm-Frisuren und stretchlosen Röhrenjeans
Bauchfrei im Winter? Hosen, die auf halbem Hintern hängen? Glücklicherweise kein Look mehr, mit dem ich mich auseinandersetzen muss.
Ich bin ein Kind der 70er Jahre! Zu meiner Einschulung trug ich nur Lieblingsklamotten: Ein weißes Kleid mit Rüschen und Blumendruck, dazu Riemchen-Sandalen, die mir Großvater gekauft hat. Meine Mutter hätte das nie getan: Das Kleid war viel zu schmutzanfällig. Den Sandalen konnte man schon ansehen, dass sie beständiges Gummitwist-Hüpfen, Stufe „unter“ oder „ober“, kaum lange aushalten würden. Immer wieder riss ein Riemchen, und der Schuster gab sich Mühe, den Schaden anschließend zu verkleben oder mit einem Flicken drunter zu vernähen.
Mein zweites Paar Lieblingsschuhe waren Clogs, die Weiterentwicklung gewöhnlicher Klapperlatschen, oben dunkles Leder, unten Holz mit Fußsohlen-Schliff. Aufpassen musste man auf das Gummiprofil. Wenn es abgelatscht war, lief man sich schnell das Holz kaputt. Gummisohle konnte man aber am Stück an jeder Ecke kaufen, einen passenden Flatschen ausschneiden und die Schuhe selbst damit besohlen.
Tesafilm spart den Friseur
Mein Kopfhaar hat in den ersten zehn Jahren meines Lebens nie einen Friseur gesehen: Die übliche Topf-Frisur gestalteten die Mütter selbst. Damit der Pony vorne gerade wurde, schnitt meine Mutter oberhalb eines sorgsam aufgeklebten Tesafilm-Streifens entlang – ganz gerade und auch ziemlich kurz. Bis ich heiraten würde, wäre das wieder nachgewachsen, meinte sie.
Wäre ich zehn Jahre früher auf die Welt gekommen, hätten die kurzen Haare ein Problem darstellen können: Als Mädchen hatte man Zöpfe zu tragen, als Junge eine „ordentliche Frisur“. Wenn umgekehrt die Jungen lange Haare bevorzugten und die Mädchen eine Kurzhaarfrisur, galten sie bereits als Gammler und Quertreiber.
Wäre ich 20 Jahre früher auf die Welt gekommen, hätte ich noch im Dirndl wandern und im Rock Ski fahren müssen. Im Alltag hätte ich wohl einen Schürzenkittel getragen, und lange Hosen wären für mich tabu gewesen.
Zehn Jahre später hätte ich mich vielleicht in mintgrün, rosa und zitronengelb gekleidet, die Mädchen mit den luftgetrockneten Dauerwellen bewundert und zur Einschulung statt des schon zu meiner Zeit altmodischen Leder-Tornisters („Man muss nicht genauso blöd sein wie andere“) doch einen Scoutranzen bekommen.
Mit Jeans in der Badewanne
In den 80er Jahren war ich selbst ein Mädchen mit luftgetrockneter Dauerwelle. Da Jeans noch nicht aus Stretchstoff waren, musste man die engen Röhrenbeine entweder mit Hilfe von zwei Freundinnen über die Fersen zwingen oder etwas zu weit kaufen, sich damit in die heiße Badewanne legen und die Hose dann am Leib trocknen lassen. Ein deutlicheres Zeichen Richtung Mode setzte man, wenn man sich den Poppern, Punkern oder Ökos anschloss. „Popper“ kleideten sich halbwegs gepflegt, die Jungs mit leichter Elvis-Tolle im Haar. Punker hatten einen Mix aus Frisur-Unfällen und kahlen Stellen auf dem Schädel, in individuellen Farben gefärbt. Dazu trugen sie Leder und Löchriges (Produkte beständiger individueller Verwahrlosung, noch nicht so zu erwerben). Ökos hatten selbst gebatikte T-Shirts an, ein Arafat-Tuch um den Hals, lange, zottelige Haare und bequeme Schuhe. Demonstrativ vermieden sie jede Form von Chic.
In den 90er Jahren habe ich Biologie studiert – dazu passte der selbst gebatikte Öko-Schlabber-Look und Räucherstäbchen-Mief. Als ich später Lokalredakteurin bei der Zeitung wurde, galt es, eigenwillig daherzukommen, bloß nicht angepasst. Feiner Zwirn beim Richtfest, ungewaschene Jeans beim Sinfoniekonzert. Eine gute Redakteurin sitzt immer zwischen allen Stühlen.
Fotoalbum mit Papierabzügen
In den 2000er Jahren habe ich Kinder gekriegt. Pflegeleichtes und Figurumspielendes wurde mein neuer Chic. Modisch austoben konnte ich mich an meinen noch wehrlosen Kleinkindern, denen ich nach Herzenslust selbst gestrickte Strampler, Mützchen und Söckchen anzog.
Jetzt tragen die Kinder nur noch, was sie stylish finden. „Nicht dein Ernst!“, sagen sie, wenn wir im Fotoalbum (eingeklebte Papierabzüge) zurückblättern. Und: „Das war früher chic!“, antworte ich.
Was fanden Sie mal chic, welches Kleidungsstück ist unvergesslich? Schreiben Sie über Anziehsachen und Lifestyle – schreiben Sie Geschichte!
Lassen Sie sich auch von weiteren Biografischen Impulsen aus meiner Sammlung anregen.