Woran wir sparen sagt viel über Charakter, Haltung und Erfahrung aus und ist damit ein biografisch interessantes Thema. Neulich schickte mir ein Kunde wieder einige Erinnerungen, die er mit der Hand schreibt, damit ich sie in den Computer tippe und dabei lektoriere. Er schreibt seine Geschichten auf jedem Stückchen Papier, das er in die Hände bekommt. Manchmal schlitzt er alte Briefumschläge auf, um die bisher ungenutzte Innenseite zu beschreiben. Vor meinem inneren Auge sehe ich ihn dazu einen alten Bleistift-Stummel verwenden, den er in einen Stiftverlängerer gesteckt hat.
Diese Form der Sparsamkeit ist typisch für eine Generation, die „die schlechten Zeiten“ erlebt hat im Krieg und in der Nachkriegszeit. Gespart wird nicht mehr, weil der Mangel es verlangt, vielleicht aber noch in Resonanz darauf. Ein grundsätzlicher Respekt vor zur Verfügung stehenden Ressourcen steckt dahinter. In heutiger Zeit, wo die Grenzen des Wachstums so offen zutage treten, wird das wieder vorbildlich: Als Spielart der Mäßigung ist Sparsamkeit zu den Kardinaltugenden zu zählen.
Sparen, wo es nicht wehtut
Auch in der Überfluss-Gesellschaft wird gespart. Doch woran wir sparen, ist sehr individuell. Weil sparen an sich als wenig lustvoll gilt, spart man zunächst da, wo es nicht wehtut: Der Nichtraucher bei den Zigaretten, der Vegetarier beim Fleisch, der Stubenhocker beim Flugbenzin, manch einer spart an Komplimenten oder guckt einfach sparsam aus der Wäsche. Als Kinder haben wir am „Weltspartag“ feierlich die Sparschweine zur Bank getragen, den Inhalt aufs Konto eingezahlt und stolz ein kleines Spielzeug in Empfang genommen, ohne das man sich am nächsten Tag auf dem Schulhof nackt vorgekommen wäre. Heute spart man sich reich durch „Geiz ist geil“ und billigen Konsum.
Was ist noch essbar
Die größten Generationen-Unterschiede zeigen sich wohl beim Essen und der Frage, was noch essbar, was sogar genießbar ist. Die starke Prägung durch das kapitalistische Wachstumsgebot hat die Toleranzgrenzen an dieser Stelle immer enger werden lassen. Als Kinder haben wir noch die verkohlten Stellen vom Toastbrot abgeschabt, bevor wir es gegessen haben, heute gilt die schwarze Scheibe grundsätzlich als ungenießbar, allein schon wegen des krebserregenden Benzpyrens und Acrylamids in der Kohle, von welchem wir gelesen haben. Früher haben wir mit Sicht- und Schnupperkontrolle überprüft, ob ein Lebensmittel „noch gut“ ist, heute gilt das aufgedruckte Haltbarkeitsdatum als Wegwerf-Ultimatum. Weintrauben mit schimmeligen Stellen hat mein Vater sich noch genüsslich als „edelfaul“ in den Mund geschoben, vielleicht auch nur aus pädagogischen Gründen, bei mir landen sie trotzdem im Kompost. „Tarzan-Bananen“ dagegen, deren Äußeres bereits einem Tigerfell ähnelt, werden von meinen Kindern als „faul“ abgelehnt, während ich sie als Grundlage für eine schmackhafte Bananenmilch schätze.
Ich schneide Ketchup-Flaschen auf, um mit dem Löffel den letzten Rest herauszukratzen, der nicht mehr durch den dafür vorgesehenen Ausgang will, und kann mir noch drei Wochen lang die Zähne putzen mit dem, was ich aus einer Zahnpastatube herausquetsche, die meine Söhne bereits als „leer“ deklariert haben. Das finden die ungefähr so schrullig wie ich das Bedürfnis, Briefumschläge auch von innen zu beschreiben.
Sparsamkeit der Zukunft
Der Sparsamkeit der Zukunft ist zu wünschen, dass sie die Lust an der Selbstbeschränkung weckt, den Spaß am Teilen, am Reparieren und am gemeinsam Nutzen, dass das mühsame Sparen am Verbrauch aufgewogen wird durch einen Gewinn an Zeit und Lebensqualität.
Was für ein Sparsamkeitstyp sind Sie?
Haben Sie Zeiten der Not erlebt?
Sparen Sie aus ökologischer Überzeugung, aus Respekt oder um eines Tages unabhängig und frei zu sein? Kennen Sie auch Momente des „Feigenblatt-Sparens“ – man nimmt den Coffee-to-go-Becher ohne Plastikdeckel, um sich besser zu fühlen?
Nehmen Sie sich einen Stift und schreiben Sie Ihre eigene Sparsamkeitsgeschichte!
Und wenn die Schreiblust geweckt ist: Hier finden Sie weitere biografische Impulse von mir.